Eine Insolvenz in Eigenverwaltung als Fallbeispiel unseres Interim CRO Dr. Ronald Roos
Ausgangslage
Eine international tätige Unternehmensgruppe der metallverarbeitenden Industrie mit 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 100 Mio. Euro geriet in eine bedrohliche Schieflage. Alle bisherigen Restrukturierungsversuche waren gescheitert. Die Geschäftspartner waren nicht bereit, Verträge neu zu verhandeln.
Der Betriebsrat verweigerte ernsthafte Gespräche über den notwendigen Stellenabbau. Der Eigentümer wollte kein frisches Kapital zur Verfügung stellen. Die Lage verschlechterte sich zunehmend: die Liquidität wurde knapp, notwendige Investitionen blieben aus und die Produkte verloren zusehends an Wettbewerbsfähigkeit. Die Krise wurde existenzbedrohend.
Lösungsansatz
Um den Teufelskreis von Realitätsverweigerung und Partialinteressen zu durchbrechen, war ein geordnetes Insolvenzverfahren unerlässlich. Das deutsche Insolvenzrecht bietet Unternehmen in Krisensituationen eine Reihe von Vorteilen. Neben der Möglichkeit, sich von drückenden Verbindlichkeiten zu befreien und bestehende Verträge nicht weiterführen zu müssen, eröffnen sie auch bei der Neugestaltung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen erheblichen Gestaltungsspielraum. Die auf drei Monate begrenzte Übernahme der Lohn- und Gehaltskosten durch die Bundesagentur für Arbeit verschafft dem Unternehmen zusätzlich „Luft zum Atmen“.
Bei der hier angewendeten Insolvenz in Eigenverwaltung konnte die Geschäftsführung - kontrolliert durch einen Sachwalter und den Gläubigerausschuss - in der Verantwortung bleiben. Um die drängenden Restrukturierungsaufgaben erfolgreich umzusetzen, wurde sie durch einen interimistischen Chief Restructuring Officer (CRO) unterstützt.
Nach der gerichtlichen Eröffnung begann das maximal dreimonatige „vorläufige Insolvenzverfahren“, das dem Unternehmen Zeit gab, mit allen Stakeholdern einen tragfähigen Business-PIan zu entwickeln und (in wesentlichen Teilen) umzusetzen. Gelingt es in dieser Frist den Gläubigerausschuss zu überzeugen, verlässt das Unternehmen die Insolvenz und kehrt in den Regelbetrieb zurück. Andernfalls droht im eigentlichen Insolvenzverfahren die Abwicklung.
Umsetzung
Zu Beginn des Mandates führte der Interim CRO eine umfassende Analyse der Krisenursachen durch. Auf dieser Grundlage erfolgte die Planung aller notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen. Von der Marktfähigkeit der Produkte und Dienstleistungen über die Produktionsprozesse bis hin zu den Distributionskanälen wurden alle wesentlichen Geschäftsprozesse auf Verbesserungspotenziale überprüft. Auch wenn Kostenreduktionen eine wichtige Rolle spielen, wurden sie nie ausschließlich in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der Produkte waren ebenfalls entscheidende Parameter.
Gemeinsam mit dem Gläubigerausschuss wurde ein mehrstufiges Vorgehen verabschiedet:
Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens kündigten wir für das Unternehmen nachteilige Verträge mit Handelsvertretern sowie für Mietimmobilien. Zudem gelang es, den unvermeidlichen Stellenabbau zu akzeptablen Kosten umzusetzen, den finanzierenden Banken und Leasinggebern Zugeständnisse abzuringen und den Eigentümer zu bewegen, einen namhaften Sanierungsbeitrag zu zahlen.
Gleichzeitig wurde der restrukturierte Businessplan mit definierten Meilensteinen auf- und in ersten Schritten umgesetzt. Die nun reduzierte Kostenbasis eröffnete perspektivisch neue Spielräume für Investitionen und Produktverbesserungen. Durch die Befreiung von Altlasten und ausgestattet mit einem funktionierendem Geschäftsmodell konnte sich das Unternehmen nach dem Insolvenzverfahren auf die Gestaltung der Zukunft konzentrieren.
Die erfolgskritische Bedeutung von Fristen
Ausschlaggebend für den Erfolg der Restrukturierung war, dass allen Beteiligten, die ihnen im Insolvenzfall drohenden negativen Konsequenzen bewusst geworden sind. Der Betriebsrat stimmte dem Stellenabbau und einem temporären Gehaltsverzicht erst zu, als er realisierte, dass die Alternative der Verlust aller Arbeitsplätze war. Banken verzichteten auf einen Teil der ausgereichten Darlehen, als sie einen Totalverlust befürchten mussten. Der Eigentümer war erst zur Zahlung eines erheblichen Sanierungsbeitrags bereit, als sich ein Totalverlust seines Engagements abzeichnete.
Da in Krisensituationen alle Beteiligten dazu neigen, schwierige Entscheidungen erst in dem Moment zu treffen, wenn sie unaufschiebbar geworden sind, ist die Setzung von Fristen ein probates Mittel alle Akteure zu Entscheidungen zu bewegen. Dabei kamen dem Unternehmen die Regelungen des Insolvenzrechts zugute. Allen war bewusst, dass während des vorläufigen Insolvenzverfahrens eine Lösung gefunden werden musste. Tatsächlich gelang es in diesem überaus arbeitsintensiven und aufreibenden Verfahren, alle erforderlichen Maßnahmen umzusetzen, wobei erwartungsgemäß wesentliche Verträge erst kurz vor Ablauf der Frist unterzeichnet wurden. Innerhalb von nur drei Monaten haben wir es geschafft, eine tragfähige Basis für die Zukunft zu bauen.