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28.08.2020

Geschäftsleitungsmitglied Ilka Herzog im Gespräch mit Ingrid Lohse, taskforce Partnerin und Interim Managerin in Geschäftsführungsrollen.

Ilka Herzog: Ingrid, unser letztes Gespräch vor etwa drei Monaten während des Shutdowns hast du mit dem motivierenden Satz beendet: „Die Welt ist schockgefroren und wir werden sie wieder auftauen“. Wie siehst du die Situation heute? Hast du noch immer diese optimistische Haltung?

Ingrid Lohse: Das beantworte ich mit einem klaren Ja! Denn gemessen an der Größenordnung der neulich dargestellten Bedrohung hat unsere Gesellschaft, trotz signifikanter Einbußen und Einschränkungen, die Pandemie bisher relativ gut gemeistert und es zeigen sich in der Wirtschaft für viele Branchen bereits Lichtstreifen und auch neue Chancen am Horizont.

Zugleich ist aber auch deutlich spürbar, dass die „aktuell erlebte Realität“ – und ich vermeide hier absichtlich den Begriff der „neuen Normalität“ – noch weit von der „Vor-Corona“-Zeit entfernt ist. Diese war noch mehrheitlich von Gefühlen der „Stärke, der „Unverwundbarkeit“, des „unbegrenzten Wachstums“ etc. gekennzeichnet, und dass, obwohl sich bereits lange vor der Pandemie „Verwundbarkeiten“ gezeigt haben; einige Stichworte: Klimawandel, Automobile Transformation, Veränderungen im Freihandel.

Jetzt erleben wir diese eher abstrakte Fragilität ganz konkret: So pendeln viele Beschäftigte immer noch zwischen Home Office und Büro hin und her; ändern sich Vorgaben etwa zu Reiseregelungen quasi täglich und arbeiten Unternehmen unter neuen temporären Regelwerken z.B. Insolvenzaussetzungsgesetz. Wir befinden uns in einer Situation, in der sowohl Personen als auch Organisationen „verletzlich“, also verstärkten Risiken ausgesetzt sind. Und, wir müssen realistischer Weise davon ausgehen, dass dies noch eine ganze Zeit lang so bleiben wird.

Ilka Herzog: Es ist interessant, dass du als Führungskraft den Begriff „Verletzlichkeit“ verwendest. Dieser Begriff wird eher selten im professionellen Kontext verwendet; gilt er nicht eher als „zu weich“? Im Business haben wir es eher mit Risikomanagement zu tun, da geht es eher um Verwundbarkeit (Vulnerabilität), als Gegenstück zur Resilienz.

Ingrid Lohse: Die Übersetzung des englischen Begriffs Vulnerability bietet mehrere Optionen: Verwundbarkeit, Fragilität, Verletzlichkeit. Verletzlichkeit hat für mich eine emotionalere Bedeutung. Und manchmal ist es eben auch für eine Führungskraft wichtig, eine solche zu zeigen. Gerade in dieser Zeit wird viel über „empathische Führung“ gesprochen deshalb meine Empfehlung: Bleib auch als Führungskraft Mensch und habe den Mut, auch Ungewissheit und Sorgen auszudrücken.

Warum ist das jetzt relevant? Die Pandemie hat in vielen Organisationen umfangreiche Transformations- und Change-Prozesse ausgelöst bzw. bereits eingeleitete massiv beschleunigt. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist für mich dabei das Meistern der „menschlichen Aspekte von Veränderungen“ (People Side of Change). Grundsätze wie z.B. das bekannte 3xH Prinzip „Hirn/Herz/Hand“ können auf einfache Weise helfen, diesen Aspekten ausreichend Raum zu geben: Menschen müssen den Change rational verstehen (Hirn), emotional zustimmen (Herz) und befähigt werden, die Veränderungen umzusetzen (Hand).

Emotionale Botschaften oder empathische Wertschätzung signalisieren, dass man versteht, welche anspruchsvollen Herausforderungen für die Menschen im Unternehmen mit den Veränderungen verbunden sind, sind hier ein durchaus probates Mittel, um das „Herz“ zu adressieren.

Ilka Herzog: Ok, auf den Aspekt „Herz“ sind wir eingegangen, und haben die Wichtigkeit von Empathie betont, aber wie kann eine Führungskraft die anderen Aspekte adressieren?

Ingrid Lohse: Neben dem psychologischen Verständnis für die emotionale Situation der Mitarbeiter gilt es aber auch, unmissverständliche Klarheit über die Herausforderung zu schaffen: Verletzlichkeit und Unvorhersagbarkeit gehören zum neuen Kontext, aber „radikale Akzeptanz“ sollte ebenso dazu gehören: Es gilt, mentale und physische Energie in Lösungen zu kanalisieren, statt sich von Problemen aufhalten zu lassen – also sehr klar, das „Hirn“ adressieren. Also: Ja, wir sind verletzlich, aber wir werden das Meistern.

Damit bin ich auch wieder bei einem Thema, das ich schon vor der Corona-Krise mit großer Leidenschaft verfolgt habe: Wenn wir es als Führungskräfte schaffen, eine innere Einstellung der Führungskräfte zu gewinnen, nach der Veränderung der „Normalzustand“ ist, werden wir zu den erfolgreichen Change Leadern, die jetzt überall gebraucht werden. Diese Einstellung ist auch die Voraussetzung für das, was ich unter einem agilen Mindset verstehe: Wer Veränderungen positiv sieht – immer beruhend auf der Annahme, dass diese zum Vorteil der Organisation sind – für den verliert auch Vulnerabilität ihre Bedrohung. Flexibilität und situatives Reagieren sind Methode. Eine Aufgabe des CEO und des Führungsteams ist es doch, nach vorn zu schauen. Die Zukunft war schon immer ungewiss; nur jetzt ist die Verletzlichkeit plötzlich für fast jeden spürbar geworden. Zukunft schafft neue Möglichkeitsräume, diese sollten genutzt werden.

Ilka Herzog: „Change Leader“ ist ja ein vielfach genutzter und unterschiedlich verstandener Begriff. Kann nicht jede Führungskraft, die zu Managementmethoden oder gezielt zu Change-Management eine Fortbildung gemacht hat, ein solcher „Change Leader“ sein oder braucht es dazu mehr?

Ingrid Lohse: Zunächst möchte ich auf den oben bereits erwähnten dritten Aspekt „Hand“ eingehen. Methodenwissen zu haben, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, in der Umsetzung erfolgreich zu sein. Und gutes methodisches, diszipliniertes Projektmanagement ist für mich in Transformationsprogrammen unerlässlich; das ist sozusagen die Pflicht. Aber erst zusammen mit der „People Side of Change“ als Kür wird die Transformation zum Erfolg. Gute Change Leader wissen das und nutzen daher bewährte Erkenntnisse und Methoden, ergänzen sie um empathische Führung und geben psychologischen Aspekten im Change Prozess ausreichend Raum – und das alles möglichst basierend auf einem agilen Mindset.

Wir als Interim Manager werden oft in herausfordernden Veränderungsprozessen eingesetzt, weil geübtes Know-how zu effektivem Change- und Transformationsmanagement gesucht wird. Ich selbst sehe dabei meine Aufgabe nicht allein in der erfolgreichen Umsetzung der Transformation, sondern vor allem auch im Wissenstransfer und in der Befähigung der Kollegen und Mitarbeiterteams. Dazu habe ich erst kürzlich wieder eine großartige Erfahrung gemacht: Gemeinsam mit der HR-Abteilung eines Mandanten haben wir ein außerordentlich pragmatisches, kurzfristig wirksames „Change Leader Programm“ entwickelt, das Methodenwissen, praktische Projektarbeit, persönliche Entwicklung und gemeinsame intensive Erfahrungen beinhaltet. Vor allem bei Nachwuchsführungskräften war das Feedback hervorragend. Hier ließ sich wieder einmal beobachten, welch hohes innovatives Potenzial Change Leader in ihren Teams anregen und auf diese Weise den lösungsorientierten Umgang mit Vulnerabilität zum Differenzierungsmerkmal und zum Erfolgsfaktor für ihr Unternehmen machen.

Ilka Herzog: Herzlichen Dank für diese spannenden Einblicke in deine Führungsarbeit, Ingrid.

Unsere Partnerin Ingrid Lohse führt seit mehr als 20 Jahren Unternehmen und Projekte als CEO, CSO, CMO auf nationaler und internationaler Ebene zu nachhaltigem Erfolg. Mit ihrem ausgeprägten Kundenfokus und motivierenden Wesen professionalisiert sie Vertriebs- und Marketingorganisationen, implementiert Steuerungssysteme und unterstützt Unternehmen auf ihrem Weg durch die Transformation. Sie erkennt die Veränderungspotenziale unserer Kunden und setzt die jeweiligen Erfolgsfaktoren im Unternehmen erfolgreich um.

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