Geschäftsleitungsmitglied Guido Anterist im Gespräch mit Dr. Andreas Rebetzky über IT-Restrukturierung und Digitalisierung bei der Hosokawa Alpine AG.
Guido Anterist: Anfang 2019 suchte Hosokawa Alpine nach einem erfahren Interim Manager für die IT. Die Wahl des mittelständischen Sondermaschinenbauers mit über 800 Mitarbeitern und über 200 Mio. Euro Umsatz fiel auf Dich. Was hast Du vorgefunden?
Andreas Rebetzky: Die IT-Abteilung war eher eine kleine Gruppe, praktisch ein Team. Sie wickelte vom PC-Betrieb bis zur ERP-Anwendung jegliche Themen ab. Die Mitarbeiter waren permanent überlastet und Reputation der IT im Unternehmen entsprechend begrenzt. Eine 2018 durchgeführte externe Studie brachte viele Mängel der IT-Sicherheit und Organisation zu Tage. Die komplexe Anwendungslandschaft war jahrelang nicht erneuert worden und die Hardware im Rechenzentrum zum Teil sehr veraltet. Zudem gab es keine IT-Governance und sich verselbständigende „Schatten-ITs" der anderen Bereiche bestellten eigene Systeme. Das Unternehmen verfügte über keine IT- oder Cloud-Strategie.
Das hört sich herausfordernd an. Wie bist Du vorgegangen?
Gemeinsam mit dem CEO Dr. Antonio Fernandez füllten wir die von mir definierte 3x3 Matrix, die 9 Handlungsfelder beschreibt: die Themen positionieren sich in den Feldern Business, Prozesse und Betrieb. Jedes Feld wird in drei Dimensionen bearbeitet: Innovation & Performance, Kosten & Kostentreiber, und nicht zuletzt die Dimension Security & Compliance. So entstand in den ersten acht Wochen ein deutliches Bild, das die Definition konkreter Handlungsfelder erlaubte.
Was waren die Top-Themen?
Die IT-Organisation musste dringend verstärkt und neu strukturiert werden. Wir schufen eine Teamstruktur und verdoppelten die Anzahl der Mitarbeiter. Vor allem stärkten wir die Kundenorientierung, indem wir eine Demand- und Supply-Struktur schafften und alle Mitarbeiter im Demand-Management schulten. In einer Aufgabenmatrix segmentierten wir die Zuständigkeiten und nannten den Fachbereichen eindeutige Ansprechpartner für ihre Themen. Unser Ziel war es, das Vertrauen in die IT wieder zu stärken und die unkoordinierten „Schatten-ITs“ zurück in die Unternehmens-IT zu migrieren. Als Grundlage dafür formulierten wir eine unternehmensweite IT-Governance.
Ein weiteres Thema war die Erneuerung der ERP-Landschaft durch einen großen Releasewechsel. Das ERP-System war und ist das Rückgrat der gesamten Prozesslandschaft. Hier entdeckten wir freilich noch weitere Schwächen, die mit der fehlenden Gesamtarchitektur in Verbindung stand.
Natürlich kümmerten wir uns auch um die Kostenseite. Wir ermittelten die Gesamtkosten der IT und identifizierten Einsparpotenziale, die wir in der Folge auch realisiert haben. Dazu wurden viele Wartungs- und Dienstleistungsverträge neu verhandelt.
Das scheinen Pflichtthemen in der IT zu sein. Gab es auch eine Kür?
Ja, die gab es. Aufgrund der schwachen Aufstellung und mangelnden Architektur gab es keine IT-Strategie, geschweige denn eine digitale Strategie. Diesen Punkt diskutierten wir gemeinsam mit dem Vorstand, der dann der Entwicklung dieser Strategie zustimmte. Ein 10-köpfiges Team erarbeitete binnen vier Monaten eine digitale Strategie und die dazugehörige Roadmap.
Das klingt schnell. Wie ist das gelungen?
Vorweg: Wir orientierten uns nicht an den Buzzwords der Digitalisierung, wie BigData oder Industrie 4.0, sondern erstellten zunächst einmal eine digitale Inventur. Dazu definierten wir über 140 Themen entlang der Wertschöpfungskette O2C (Order to Cash), bewerteten den jeweiligen Beitrag zu den definierten Zielen und zum Status sowie die Skills bei Hosokawa Alpine. Dann analysierten wir die Abhängigkeiten und leiteten die Prioritäten ab. Schließlich konnten wir ca. 20 Digitalisierungsvorhaben beschreiben und in einer Roadmap abbilden. Mir war wichtig, dass die digitale Strategie von innen heraus entwickelt wurde und nicht von externen Kräften auferlegt wurde.
Was war Deine Rolle dabei?
Ich erarbeitete die Zielstruktur, moderierte über 20 Workshops und gab zahlreiche inhaltliche Impulse zu den digitalen Themen. Beispielsweise bezüglich des Engineering PLM (Product Lifecycle Management) oder der Digitalen Services rund um IoT-Anwendungen. Schließlich brachte ich gemeinsam mit dem Team das Ganze in eine Form, die dem Vorstand und Aufsichtsrat präsentiert wurde. So konnte dieser Plan für die folgenden zwei Jahre verabschiedet werden.
Was waren die Schlüsselerfolgsfaktoren in diesem Mandat?
Da war zum einen die stets enge Kommunikation mit dem Vorstand und den Bereichsmanagern und mit den Mitarbeitern der IT. Zudem war Transparenz nach allen Seiten unabdingbar, auch wenn das die Dinge bekanntlich nicht immer einfacher macht. Und natürlich war eine strukturierte und inhaltsreiche Darstellung der Vorhaben und Ergebnisse wichtig. Zusammengefasst macht das konsequente Umsetzen der Vorhaben gepaart mit Empathie und tiefer fachlicher Kompetenz den entscheidenden Unterschied.
Wie geht es weiter? Gibt es bereits einen Nachfolger für die Leitung der IT?
Ja, ich war selbst am Auswahlprozess beteiligt und wir fanden einen hochkompetenten Manager, den ich derzeit intensiv einarbeite. Darüber hinaus habe ich noch weitere Aufgaben in der Umsetzung der digitalen Strategie mit zwei weiteren taskforce-Managern im von mir geleiteten Projekt Management Office.
Andreas, vielen Dank für diesen Einblick in ein Mandat, das die IT des Kunden offensichtlich deutlich nach vorne gebracht hat.