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07.05.2020

Geschäftsleitungsmitglied Dirk Niederberghaus spricht mit Interim Manager Peter Tillmann über Herausforderungen eines HR-Mandats im industriellen Mittelstand.

Lieber Peter, vor etwa zehn Monaten stand eine mittelständische Unternehmensgruppe mit einem Umsatz von rund 800 Mio. Euro und weltweit ca. 5.000 Mitarbeitern vor der Herausforderung, während einer laufenden weltweiten Transformation den Global HR Director neu zu besetzen. Du hast diese Funktion interimistisch übernommen und die globalen HR-Prozesse verantwortet. In welchem Zustand hast Du die Unternehmensgruppe zu Beginn Deines Mandates vorgefunden?

Peter Tillmann: Es handelt sich um ein erfolgreiches Familienunternehmen, das in seinen Kerngeschäftsfeldern wie Einkaufswagen und Shop Solutions für den Handel weltweiter Marktführer ist. Traditionell ist die Unternehmensgruppe sehr stark in den Feldern Technologie und Produkte sowie Märkte und Kunden aufgestellt. In den Zentralbereichen wie z.B. Finanzen, IT und HR sowie in der Organisation und Führung der globalen Strukturen gab es jedoch erhebliche Verbesserungspotenziale – durchaus nicht ungewöhnlich für ein so rasant gewachsenes Unternehmen im Mittelstand.

Was waren die zentralen Herausforderungen in diesem Mandat?

Zunächst einmal galt es, möglichst schnell eine tiefgreifende Auseinandersetzung zwischen der Geschäftsleitung mit der IG Metall sowie den Betriebsräten zu lösen. Hier standen Forderungen nach einer Tarifbindung des Unternehmens gegen Maßnahmen zur Senkung der Personalkosten angesichts eines immer härteren internationalen Wettbewerb. Der Konflikt war bereits bis hin zu Warnstreiks eskaliert und auf beiden Seiten entsprechend emotional aufgeladen.

Der zweite große Schwerpunkt war die Erarbeitung und Implementierung einer übergreifenden Roadmap, um das HR-Portfolio deutlich auszubauen und die gesamte Personalarbeit der Gruppe weiter zu entwickeln. Wie bei vielen Mittelständlern war auch hier der Fokus bis dato vor allem auf Administration und PayRoll beschränkt. Ein strukturiertes Personalentwicklungs- und Talentmanagement oder Konzepte für Change Management und Leadership gab es de facto nicht.

Welche Herausforderungen kamen auf dich als Führungskraft noch zu?

Wie in den meisten Interim Mandaten als HR Director stand ich vom ersten Tag an auch in der Verantwortung für das gesamte operative HR-Geschäft. Es galt, unter absoluter Vollauslastung der Produktionskapazitäten Themen wie den Einsatz von Leiharbeitern, erforderliche Mehrarbeit, Organisation von Schichtmodellen, kleinere Organisationsveränderungen konstruktiv mit den Führungskräften und Betriebsräten zu managen. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Betriebsräten mussten Versäumnisse aufgeholt und Vertrauen wieder zurück gewonnen werden.

Welche Auswirkungen hatte der Transformationsprozess auf das hauseigene Management?

Das Executive Management war deshalb besonders gefordert, weil die Geschäftsführer zum einen als wesentliche Treiber der Transformation und Veränderungen agieren, zum anderen aber natürlich selbst Betroffene in diesem Prozess sind. Meine Erfahrung ist, dass je mehr das Top-Management die Veränderungen bereits selbst verinnerlicht hat, desto stärker und überzeugender können sie diese auf die nächsten Ebenen übertragen. Die Führungskräfte im mittleren Management benötigen klare und überzeugende Richtungsvorgaben, müssen aber auch als „Betroffene“ zu Beteiligten gemacht werden.

Stichwort Stakeholder Management: Welche Ansprechpartner waren besonders wichtig?

Das Wichtigste ist, alle relevanten Stakeholder von Beginn an mit großem Einfühlungsvermögen und einer klaren Haltung abzuholen und zu begleiten. Dies gilt vor allem für die Geschäftsführung, die Betriebsräte, das eigene HR-Team sowie die Kolleginnen und Kollegen auf der Managementebene. Als HR-Experte ist es entscheidend, die richtigen Lösungen adäquat und gerade für den Mittelstand pragmatisch zur Verfügung zu stellen. In diesem Mandat haben wir einen zunächst befristeten Haustarifvertrag abgeschlossen. Im Rahmen der Transformation haben wir zudem einen globalen „Management Level Approach“ erarbeitet, das Thema Leadership in ein Global Management Meeting integriert sowie ein internationales Potenzialentwicklungsprogramm angestoßen.

Als HR Director sehe ich meine besondere Expertise und Rolle vor allem darin, die teilweise sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen der Beteiligten zu erkennen und im Sinne der Zielsetzung zusammen zu führen. Das ist in jeder Hinsicht sehr anspruchsvoll, macht für mich aber gerade den Reiz dieser Aufgabe aus. Ein gutes Beispiel hierfür waren die erwähnten wochenlangen harten Verhandlungen über den Haustarifvertrag, bei dem am Ende beide Seiten ein paar „Federn gelassen haben“. Für das Unternehmen war das Ergebnis aber wichtig und notwendig.

Anfang dieses Jahres kam dann die Corona-Pandemie, die auch in Deinem Mandat zu einem Shut-Down führte. Welche Aufgaben standen im Mittelpunkt?

Wie in den meisten anderen internationalen Unternehmen auch musste gleich zu Beginn der Covid-19-Krise ein kurzfristiges und situatives Krisenmanagement entlang der jeweiligen regionalen Situation aufgesetzt werden. Aus HR-Sicht standen vor allem hygiene- und verhaltenstechnische Aspekte wie z.B. Abstandsregeln oder richtige Hustenetikette im Fokus. Daneben natürlich alle arbeitsorganisatorischen und rechtlichen Aspekte wie Kurzarbeit, Krankmeldungen, Homeoffice etc.

Die Arbeit hat sich in vielen Unternehmen ins Home-Office verlagert. Wie ist Deine Erfahrung damit und welche Rolle könnte diese Form der digitalen Zusammenarbeit zukünftig haben?

Die Unternehmensgruppe ist schon seit langem weltweit tätig. Deshalb sind die Mitarbeiter in den Backoffice-Bereichen die so genannte „Digital Collaboration“ gewohnt. Vor allem Tele- und Videokonferenzen werden schon seit langem genutzt. Herausfordernd ist allerdings der hohe Koordinationsbedarf, wenn alle gleichzeitig digital arbeiten. Auch gibt es sicherlich Themen, die weniger für diese Form der Zusammenarbeit geeignet sind. Hier gilt es Qualitätsverlusten ebenso vorzubeugen wie Überforderungen der Mitarbeiter. Alles in allem denke ich aber, dass Home-Office künftig eine größere Rolle spielen werden.

Erwartest Du im Nachgang der Corona-Krise besondere Schwierigkeiten für den Mandanten?

Das Mandantenunternehmen ist betriebswirtschaftlich „kerngesund“, überaus kreativ und der Handel als sein wichtigster Kunde nur wenig von der Pandemie betroffen. Deshalb sehe ich für die Unternehmensgruppe langfristig keine Schwierigkeiten, sondern sogar Chancen für neue Lösungen, die teilweise sogar bereits in der Entwicklung sind.

In vielen Mandaten gehört es zur Aufgabe des Interim Managers, seine Aufgaben an einen festangestellten Nachfolger zu übergeben. Wie war das bei Dir?

In der Tat ist es optimal, wenn man seine Erfahrungen und Eindrücke dem Nachfolger mitgeben und ein gemeinsames Onboarding machen kann. Als erfahrener Personalprofi – wenn ich das so sagen darf – halte ich das für mich selbst am Beginn eines Mandats wie auch für meinen Nachfolger eher kurz.

Herzlichen Dank, Peter, ein spannendes Mandat.