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27.01.2020

taskforce Senior Advisor und Autor Jörg Rabe von Pappenheim im Gespräch mit Ilka Herzog

 

Ilka Herzog: Wir alle nehmen deutliche Veränderungen in der Arbeitswelt wahr. Die zunehmende Komplexität, mit der sich Entscheider konfrontiert sehen, führt zu wachsender Verunsicherung. Du hast Dir Deine ersten Meriten noch in einer Zeit verdient, in der das tayloristische Prinzip der Arbeitsteilung in vielen Branchen verbreitet war. Auf der anderen Seite hast Du den Wandel hin zu neuen Arbeitsformen, wie Agilität und selbstbestimmtes Arbeiten nicht nur erlebt, sondern in den Unternehmen, in denen du verantwortlich warst, selbst aktiv vorangetrieben und mitgestaltet. Seit kurzem ist nun dein Buch "Value Worker“ auf dem Markt. An wen richtet es sich und was war deine Motivation, dieses Buch zu schreiben?

Jörg Rabe von Pappenheim: „Value Worker" richtet sich vor allem an die Entscheider in mittelständischen Unternehmen sowie alle Teammitglieder, die dazu beitragen, ihr Unternehmen weiterzuentwickeln. Es soll ein Mutmacher sein für unseren Mittelstand, der eine wichtige Säule unserer Wirtschaft darstellt und sie maßgeblich prägt. Mit meinem Buch möchte ich dazu ermuntern, die grundlegenden Transformationen im Unternehmen anzugehen und nicht mit den vielen Buzzwords zu hadern. Ich habe mich darauf konzentriert, einen möglichst praxisnahen Ratgeber zu schreiben, der dem Leser einen komprimierten Überblick verschafft über die Entwicklung zentraler Management-Methoden von TQM über Lean bis Agil. Dazu bringe ich konkrete Beispiele aus Unternehmen, die einen umfassenden Transformationsprozess absolviert haben.

Change ist ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang. In Deinem Buch beschreibst du es als eine Bewegung, „Change Movement“. Was verbirgt sich dahinter?

Wir haben es tatsächlich mit einer Bewegung zu tun, also mit etwas, das von unten nach oben arbeitet. Viele klassische Change Management-Ansätze propagieren ein episodisches, gesteuertes Vorgehen, das in aller Regel von oben verordnet und in Phasen abgearbeitet wird. Meiner Erfahrung nach sind Veränderungsprozesse aber signifikant wirksamer und nachhaltiger, wenn Mitarbeitergruppen den Wandel proaktiv gestalten und dieser quasi nach dem „Laissez Faire“-Prinzip erfolgt. Hier geht es um Antrieb aus eigener Kraft heraus. Der Wandel sollte im eigenen Interesse liegen und dann von den Führungskräften unterstützt und bestätigt werden. So verstanden ist Change ist ein andauernder Entwicklungsprozess, der immer wieder mit projekthaften Impulsen durch das Management gefördert wird. Diese Impulse spiegeln den Lernprozess der Entscheider; sie sind nicht aus der Not geboren, sondern eine logische Konsequenz aus dem sich wandelnden Selbstverständnis der Organisation.

Aber besteht bei diesem Vorgehen nicht das Risiko, dass die Organisation auseinanderbricht, wenn plötzlich die bestehende Ordnung verloren geht?

Tatsache ist, dass die klassische arbeitsteilige Ordnung längst an ihre Grenzen gekommen ist. Auf der Suche nach Spitzenleistungen müssen sich die Unternehmen auf neue Terrains der Arbeitsorganisation wagen. Veränderungen erzeugen Instabilität und stören die Erwartungen der Betroffenen an Kontinuität. Wir können uns verändern, wollen aber nicht verändert werden. Erst über die gestalterische Teilhabe am Wandel gewinnen die Beteiligten an Sicherheit und Zuversicht. Und je anspruchsvoller die Situation, desto wichtiger ist die offene Einbeziehung möglichst vieler Beteiligter, auch wenn das zuweilen auf Kosten kurzfristiger Effizienz geht. Freiwilligkeit und Initiative der Menschen an der Basis erhöht die Chancen für eine erfolgreiche Umgestaltung der Arbeitsorganisation.

Kommen wir nochmal auf den Titel des Buches: Wofür steht der Begriff „Value Worker“?

Wir befinden uns im Übergang zur Netzwerkökonomie. Nach Phasen der Industrie- und Wissenswirtschaft tauchen wir ein in ein Zeitalter, in dem das Unvorhergesehene den Determinismus ablöst. Ein Unternehmen, das weiterhin am Markt eine Rolle spielt, zeichnet sich durch hohe Flexibilität aus und diese beginnt bei den Mitarbeitern. Selbstbestimmtes Arbeiten und Kollaboration mit Ergebnisverantwortung eröffnen wichtige Flexibilitätspotenziale. Doch das funktioniert nur dann, wenn wir uns bei der kollaborativen Wertschöpfung auf unser Menschsein besinnen. „Value Working“ steht für den Stellenwert der Menschlichkeit in der Arbeitswelt. Damit zieht Value Working zugleich Grenzen für die Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Androiden und ihre Algorithmen dürfen nicht den Menschen dominieren oder gar entmündigen. KI muss am Ende den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Der Value Worker ist ein Empathiearbeiter, jemand, dessen Intelligenz und Intuition sich mit Anderen vernetzt, in empathischer Verbindung steht. Er/Sie baut für das Unternehmen werthaltige Beziehungen auf: bei der Kundengewinnung und -bindung, bei der Kollaboration mit den Kollegen und in Wertschöpfungspartnerschaften mit Externen. Value Worker werden an allen Stellen des Wertschöpfungsprozesses gebraucht; sie stehen für den Zweck und das Nutzenversprechen des Unternehmens ein.

Nun interessiert mich aber zum Schluss noch: Welche Chancen, aber auch Anforderungen bedeutet die Netzwerkökonomie für uns und unsere Interim Manager?

Interim Manager haben bei Transformationsprozessen in Unternehmen nicht nur den Vorteil der kurzfristigen Verfügbarkeit. Sie können sich in ihren Tätigkeiten voll auf die Ziele und Aufgaben konzentrieren. Sie stehen nicht unter dem Einfluss einer persönlichen Abhängigkeit oder Betroffenheit. Damit sind sie prädestiniert dazu, einen unvoreingenommenen Transfer zwischen dem alten Paradigma und der Zukunftsorganisation herzustellen. Mit ihren nachgewiesenen Leadership Fähigkeiten sind sie in der Lage, Raum zu geben für Neues, behalten dabei aber den Unternehmenszweck im Blick.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Mein persönliches Fazit:

„Value Worker“ ist ein hoch interessantes, gut lesbares Handbuch nicht nur für Entscheider in Unternehmen, sondern für alle, die Freude an der Gestaltung ihrer Tätigkeiten haben und ein selbstbestimmtes Mitglied in Unternehmen sind oder es sein wollen. Es bringt aktuelle Herausforderungen unserer Wirtschaftswelt auf den Punkt, erklärt kompakt die Theorie, leitet anschaulich zur Praxis über, ermutigt und gibt Impulse zur Transformation. Ich habe es nicht eher aus der Hand gelegt, bis ich es durchgelesen hatte. Das passiert mir sonst nur mit spannenden Krimis.