Geschäftsleitungsmitglied Dirk Niederberghaus im Gespräch mit unserem Partner Michael Daub über ein Carve-out-Projekt, die Corona-Krise und kommende Herausforderungen. Teil 1
Lieber Michael, vor etwa zehn Monaten ist nach einem Carve-out ein neuer internationaler IT-Dienstleister am Markt entstanden. Du warst in diesem Carve-out-Prozess Finance Director der Unternehmensgruppe mit einem Umsatz von rund EUR 200 Mio. und 3.500 Mitarbeitern weltweit.
In welchem Zustand hast Du die Unternehmensgruppe zu Beginn Deines Mandates vorgefunden?
Die Unternehmensgruppe wurde im Rahmen eines Carve-out's von einem amerikanischen Private Equity-Haus übernommen. Der Verkäufer führte seine Unternehmen im Bereich Finanzen sehr zentralistisch. Das Management der Zentralfunktionen wurde aber, bis auf das Treasury, nicht vom Käufer übernommen. Das heißt, dass die Gesellschaften der Unternehmensgruppe seit der Übernahme zunächst keine Ansprechpartner in den Corporate-Funktionen Finance, Controlling, Steuern und Recht hatten.
Was waren die zentralen Herausforderungen in der ersten Phase?
Zunächst musste sichergestellt werden, dass die Hauptfunktionen des Bereichs Finanzen funktionierten. Dazu gehörte die Konsolidierung der monatlichen Ergebnisse sowie der Aufbau des Berichtswesens nach US-GAAP an das Management und den Gesellschafter. Die Konsolidierung war zwar bereits vorhanden, sie musste aber an die neuen Strukturen angepasst werden. Zudem war zu berücksichtigen, dass das Jahr 2019 ein Rumpfgeschäftsjahr für die Unternehmensgruppe war, da der Carve-Out per Anfang Juni 2019 stattfand. Zudem war es in dieser Phase besonders wichtig, die Organisation zu stabilisieren und ihre Leistungsträger zu binden.
Das ist ja bereits ein anspruchsvoller Aufgabenkatalog. Welche anderen Projekte kamen auf Dich zu?
Von großer Bedeutung war natürlich die Vorbereitung der Jahresabschlusses und in diesem Zusammenhang die Auswahl des Wirtschaftsprüfers. Der Wirtschaftsprüfer des Verkäufers konnte aus verschiedenen Gründen das Mandat nicht übernehmen. Das war am Anfang durchaus problematisch, weil sie die Themen, Prozesse, Strukturen und die Ansprechpartner der Gesellschaften bestens kannten. Also haben wir mehrere international aufgestellte WP-Gesellschaften angesprochen und einen Tender-Prozess aufgesetzt. Ein wichtiges Auswahlkriterium war ein weltweites belastbares Partnernetzwerk. Eine Zweites, dass die US GAAP-Abschlüsse sowie die lokalen Abschlüsse der Gesellschaften der Unternehmensgruppe parallel in Januar und Februar 2020 geprüft werden sollten. Nach einem intensivem Auswahlprozess haben wir eine geeignete WP-Gesellschaft ausgewählt.
Welche Auswirkungen hatte die Situation auf des Management?
Über allem steht natürlich, dass in einer solchen Transformationsphase Leadership besonders gefordert ist. Es galt, das Managementteam und die Mitarbeiter an allen weltweiten Standorten auf dem Weg in eine eigenständige Unternehmensgruppe jederzeit gut zu informieren und einzubinden. Dabei waren vor allem die kulturellen Unterschiede und die verschiedenen Wahrnehmungen in den Ländern zu berücksichtigen. Uns war es besonders wichtig, dem Management eine gemeinsame Perspektive zu geben und uns das Committment aller Beteiligten abzuholen.
Bei welchen Aufgaben war Deine Expertise besonders gefordert?
Ein anspruchsvolles Sonderthema in jedem Carve-Out ist die Erstellung der Eröffnungsbilanz und die „Purchase Price Allocation“, also die Verteilung des Kaufpreises auf die Vermögenswerte. Für ein Bewertungsthema dieser Größenordnung braucht man viel Erfahrung und ein gutes Gespür für die Interessenlagen der Shareholder.
Darüber hinaus musste das ERP-System von jenem des Verkäufers getrennt werden. Hier bestand die Herausforderung darin, dass das dafür nötige Fachwissen im Unternehmen nicht vorhanden war, sondern extern eingekauft werden musste. Ein solches Migrationsprojekt mit seinen zahlreichen Transaktionsprozessen geht ganz tief in den „Maschinenraum“ der IT und ist deshalb überaus erfolgs- und zeitkritisch. Um die ERP-Ablösung zu vollziehen, mussten alle Beteiligten bis kurz vor Jahresende intensiv arbeiten. Pünktlich zum Jahresabschluss waren die Systeme getrennt und so konnten die Gesellschaften den Jahresabschluss erfolgreich durchführen. Ausschlaggebend für diesen Erfolg war die reibungslose Kommunikation im internationalen Projektteam. Für mich als Interim Manager und Führungskraft war es zudem sehr wichtig, dass ich auf ein zuverlässiges Netzwerk u.a. bei der taskforce zurückgreifen konnte.
Anfang 2020 kam dann die Corona-Pandemie, die auch in Deinem Mandat zu einem Shut-Down führte. Welche Aufgaben waren für Euch prioritär?
Wie in den meisten anderen internationalen Unternehmensgruppen wurden im Rahmen der Covid-19-Krise auch hier Werke geschlossen. Um auf die beginnenden und zu erwartenden Umsatzeinbrüche jederzeit reagieren zu können, haben wir ein Kostensenkungsprogramm aufgesetzt und führten ein 13-Wochen Cash-Reporting inklusive täglichem Umsatzreporting ein. Alle diesbezüglichen Entscheidungen wurden in einem Krisenstab unter Leitung des CEO's getroffen.
Die Arbeit hat sich für viele Führungskräfte und Mitarbeiter ins Home-Office verlagert. Wie ist Deine Erfahrung damit und welche Rolle wird diese Form der digitalen Zusammenarbeit zukünftig haben?
Die Unternehmensgruppe ist schon immer weltweit tätig. Deshalb sind es die Mitarbeiter hier gewohnt, digital miteinander zu arbeiten. Home-Office und Videoconferencing sind für sie nichts Neues und werden schon seit langem täglich genutzt. Natürlich hat der Koordinationsbedarf im Rahmen der Corona-Krise noch einmal zugenommen. Die Tools waren aber vorhanden und die Mitarbeiter kannten sich bestens damit aus. Und was die allgemeine Entwicklung anbetrifft, so erscheint es mir ziemlich wahrscheinlich, dass digitale Formen der Zusammenarbeit eine zunehmend größere Rolle spielen werden.
Die Krise wird irgendwann ein Ende haben. Erwartest Du in der Post-Corona-Phase für die Unternehmensgruppe besondere Schwierigkeiten?
Nein, zwischenzeitlich arbeiten fast alle Werke der Gruppe wieder, wenn auch natürlich in einem geringeren Umfang als in der Vor-Corona-Zeit. Aber die Werke dann wieder mit regulärer Auslastung zu betreiben, wird sicher keine große Herausforderung sein.
Eine wichtige Aufgabe von Interim Managern ist es oft auch, die Aufgaben an einen festangestellten Manager zu übergeben. Wie war das bei Dir?
Tatsächlich wurde zwischenzeitlich eine Nachfolgerin gefunden und in Festanstellung eingestellt. In den letzten Wochen des Mandats wurde sie von mir in intensivem Austausch eingearbeitet und auf alle wichtigen Themen vorbereitet. Die Kontinuität der geleisteten Arbeit ist damit gesichert und ich konnte das Mandat mit einem guten Gefühl beenden.
Herzlichen Dank, Michael, für die Einblicke in dieses spannende Mandat.